Für den Erfolg der Reformation waren meines Erachtens in erster Linie Luthers Kritik am Ablasshandel und ein genereller moralischer Verfall des Klerus verantwortlich. Dies war auch für „den kleinen Mann auf der Straße“ nachvollziehbar. Die 36. These Luthers lautete: „ Jeder wahrhaft reumütige Christ erlangt vollkommenen Erlass von Strafe und Schuld; der ihm auch ohne Ablassbriefe zukommt.“ (http://www.ekd.de/glauben/95_thesen.html). Man kann es als Ironie des Schicksals begreifen, dass er damit dem reuigen, gläubigen Sünder auf seine Art einen kostenlosen Generalablass ausgestellt hat.

Dass der Ablasshandel schon lange Zeit zuvor einmal Streitpunkt in Rom war und zu einer Sektengründung bzw. Kirchenspaltung geführt hat, finde ich bemerkenswert. Hippolyt von Rom setzt sich in seinem Buch „Widerlegung aller Häresien“ mit den Machenschaften des damaligen Papstes Calixt I. auseinander: „Nachdem er sich solcher Dinge erkühnt, gründete er mit dieser Lehre eine Schule im Gegensatz zur Kirche und wagte es als erster, den Leuten Dinge, die zur Befriedigung der Lüste dienen, zu erlauben, und erklärte, allen würden von ihm die Sünden nachgelassen. Wenn einer, der einer anderen Gemeinschaft angehört und dort den christlichen Namen erhalten hat, eine Sünde begangen hat, so wird ihm — so behaupten sie — die Sünde nicht angerechnet, wenn er nur der Schule des Kallistus zuläuft. Kallists Dekret gefiel gar manchen, die von Gewissensbissen gequält und überdies aus vielen Sekten ausgestoßen waren, ja es waren einige darunter, die durch Urteilsspruch von uns aus der Kirche ausgeschlossen worden waren; so gingen sie zu ihnen über und füllten des Kallistus Schule. Er war der Ansicht, daß ein Bischof nicht abgesetzt werden müsse, wenn er sündige und sei es auch zum Tod. Von dieser Zeit an begann man zwei- und dreimal verheiratete Bischöfe, Priester und Diakonen zu den Weihen zuzulassen, und wenn einer geweiht eine Ehe eingehe, so bleibe ein solcher im Klerus, als ob er nicht gesündigt hätte; hierüber handle, wie er behauptet, der Ausspruch des Apostels: „Wer bist du, der du über den fremden Knecht Urteil sprichst?“ Ja auch die Parabel vom Unkraut , sagt er, beziehe sich hierauf: „Laßt das Unkraut wachsen mit dem Weizen“, das ist die Sünder in der Kirche. Ja er sagte, auch die Arche Noah sei ein Gleichnis für die Kirche, in der sich Hunde und Wölfe und Raben, alles Reine und Unreine fand, und so soll es in der Kirche sein; was er noch in diesem Betreff herbeibringen konnte, hat er so ausgelegt, und seine Hörer, denen diese Ansichten gefallen, fahren fort, sich selbst und viele (andere) zum Besten zu haben, die scharenweise zu dieser Schule strömen. Gerade wegen der Lüste, die Christus nicht erlaubt hat, nahmen sie immer zu, auf ihren Massenanhang stolz. Christum verachten sie und hindern keine Sünde, indem sie aufstellen, er verzeihe denen, die guten Willens sind.“

Hippolyt von Rom, der über seine Lehrer Irenäus von Lyon und Polykarp von Smyrna ein Schüler des Apostels Johannes war, urteilte anschließend folgendermaßen über den damaligen Papst und seine Sekte der Kallistianer: „Er lehrt Ehebruch und Mord zugleich. Und auf all das hin gehen diese Ausgeschämten daran, sich „katholische Kirche“ zu nennen und manche laufen ihnen zu, in der Meinung, recht zu handeln. Um diese Zeit wagten sie zuerst, eine zweite Taufe zu spenden. Das hat der höchst merkwürdige Kallistus getan, dessen Schule weiter besteht und ihr Herkommen und ihre Überlieferung hütet; ohne Urteil darüber, mit wem man Gemeinschaft haben kann, bietet sie allen ohne Prüfung Mitgliedschaft an; von Kallistus haben sie auch ihren Beinamen erhalten und heißen nach ihrem Gründer Kallistianer.“

Es sieht ganz danach aus, dass die Sekte der Kallistianer der rechtmäßigen, in apostolischer Tradition stehenden römischen Kirche mit ihrem Bischof Hippolyt den Garaus gemacht hat.

Außerdem finde ich es erstaunlich, dass die Kirchenordnung des Hippolyt (http://www.unifr.ch/bkv/kapitel2684.htm) bisher nicht als Ausgangspunkt für eine Reformation entdeckt worden ist. Stattdessen wird versucht, eine Kirchenordnung aus den biblischen Texten zu extrahieren, wozu diese allerdings gar nicht gedacht waren.